Man muss schon ziemlich bescheuert sein, wenn man im Urlaub um 3:30 Uhr aufsteht um einen fast 11 Kilometer langen Fussmarsch um einen Berg, mitten im brühend heißen Outback im Australischen Sommer anzutreten. Wir finden bescheuert ja bekanntlich gut und so klingelte der Wecker an diesem Tag lange bevor irgendein australischer Buschhuhn-Hahn den Tag ankündigen konnte.
In Reiseführern, Reiseblogs, ja eigentlich überall konnte ich im Vorfeld lesen, dass eins bei einem Besuch des Ayers Rock auf keinen Fall fehlen durfte – festes Schuhwerk. Und so schleppten wir ganze 30 Tage und genau 43462 Kilometer schwere, feste Schuhe mit uns durch Australien nur um dann festzustellen, dass außer uns niemand festes Schuhwerk trug. Nun hatten wir die ja nicht umsonst um die halbe Welt getragen, also zog ich die schweren Dinger an die Füße und startete zum benachbarten Desert Garden Hotel, wo der Shuttle abfahren sollte. Mit uns fuhren noch 4 weitere Leute zum heiligen Berg. Die Tour mit dem Hop on Hop off Bus holperte durch das dunkle Outback, wir konnten nichts Nennenswertes erkennen und so langsam fielen die Augen wieder zu. Nach etwa 25 Minuten stoppten wir und der Fahrer erklärte uns, dass wir kleinen grünen Leuchten im Boden folgen sollten. Dies taten wir und liefen an einigen Büschen auf einen befestigten Steg zu, der zu einer kleinen offenen Hütte, wohl einer Aussichtsplattform führte. Schon nach wenigen Minuten hatten sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt und wir konnten in der Ferne schemenhaft die Umrisse des Uluru ausmachen. Anders als die Augen, könnten sich die Ohren an etwas nicht gewöhnen, nämlich das durchgehende Geschnatter der vier mitgereisten Engländer. Nach einem Fluchtweg Ausschau haltend , erblickte ich glücklicherweise schemenhaft einen weiteren befestigten Weg und wir gingen diesen entlang. Dieser magische Ort, dachte ich mir, kann niemals magisch wirken, bei diesem ganzen hektischen Geplapper. Zu unserer Überraschung fanden wir so die wirklich große, erhöhte Aussichtsplattform, nahmen nun gespannt und ganz allein den besten Platz in der ersten Reihe ein.
Da war er – der Uluru. Der rote Fels, der in so vielen Büchern, die ich gelesen, so vielen Filmen, die ich gesehen und so vielen Reiseberichten in denen ich gestöbert hatte, vorgekommen war. Ich schaute ihn einfach an und er auf mich zurück.
Ich muss dazu sagen, dass ich zu dieser Zeit in einem ziemlichen Umbruch war, was meinen beruflichen Werdegang anging und insgeheim hoffte, an diesem Ort würde ich nun eine klare Entscheidung für einen bestimmten Weg treffen können. Diese Idee kam von einem guten Freund, der mir sagte: „Setze dich ins Outback, blicke auf den Uluru und du weißt was du zu tun hast“. Oder so ähnlich. Ich stand und blickte, ich blickte mit großer Erwartung und offenem Herzen – aber ich die erhoffte Erleuchtung blieb aus.
Als sich nach 5 Minuten angestrengtem Blickens nichts ergab, gab ich es auf und genoss den Anblick einfach so. Und sinnierte ganz still, was für ein Glück wir hatten hier zu sein. Obwohl wir immer gedacht hatten, wir würden uns Australien ja eh niemals leisten können. Und was für ein Glück es war, dass ich so gut darin war äußerst günstige Flüge und Unterkünfte zu finden und wir so den Reisepreis auf ein Drittel senken konnten und nun hier standen. Und was für ein Glück es war, dass wir damit meiner Mutter ihren großen Lebenstraum von einer Australienreise erfüllen konnten. Und wie traurig es ist, das nicht ganz viele andere Menschen auch diese Glück haben dieses wundervolle Land bereisen zu können. Während ich so vor mich hin sinnierte machte Dennis ganz begeistert Fotos vom dunklen Berg im dunklen Outback … und plötzlich war mir ganz klar, das wir zusammen einen Reiseblog starten müssen, um auch anderen Menschen zu zeigen, wie man sich Reiseziele leisten kann, obwohl man immer dachte, dass man sie sich niemals leisten kann. Ich war ganz vertieft in meine Idee – und dann kamen die Reisebusse voller lauter Touristen.
Deutsche, Russen, Spanier, alle samt einte das Gefühl ordentlich drauf los erzählen zu müssen. Das viele Geschnatter der anderen Touristen und Geklicke der Kameras wurde irgendwann zu einem Einheitssurren, welches den zigtausend Fliegen ähnelte, welche ich an diesem Tag noch kennenlernen sollte. Doch erstmal passierte das, was alle so sehnlichst erwarteten: die Sonne ging auf.
Also irgendwo, hinter einer dicken Wolkendecke. Und so erglimmte der Ulruru nicht in diesem leuchtenden Rot, welches man überall in den Reiseführern zu sehen bekommt. Er wechselte einfach von Dunkelgrau zu Graurot. Irgendwie ganz schön unspektakulär aber es war ja nun nicht zu ändern. Und auch in Dunkelgrau ist der Uluru einfach eine beeindruckende Erscheinung. Irgendwann sahen wir im Gewusel auch meine Mutter, die mit der „Sunrise -Tour“ zum Berg gekommen war. Da stand sie nun und erfüllte ihren Traum. Wir blickten auf den Heiligen Berg und mich überkam eine tiefe Zufriedenheit.
Es wurde immer heller und irgendwann wurden die Scharen von Touristen, unter ihnen auch meine Mutter, wieder in die Busse geschoben und zurück ins 15 Kilometer entfernte Resort gefahren. Wir fanden ebenfalls unseren Hop on Hop off Bus und fuhren mit diesem zum nächsten Stopp. Als wir am Mala Carpark ankamen, stiegen wir aus. Es war inzwischen etwa 6 Uhr und wir entschieden uns nicht wie der Rest der Gruppe um den Berg zu fahren sondern zumindest bis zum Cultural Centre zu wandern, welches etwa 2 Kilometer entfernt war und allerlei Spannendes zur Kultur der Aborigines zeigen sollte. Wir mussten dem Fahrer Bescheid geben, wann wie wo eingesammelt werden wollten und gaben ebenfalls das Cultural Centre in etwa 3 Stunden an.
Am Mala Carpark gab es ein uns äußerst willkommenes Toilettenhäuschen, in welchem einem interessanterweise auf Schildern erläutert wird, wie man an der Farbe des Urins den Grad der Austrocknung erkennen kann – Dunkelgelb ist ganz schlecht. Außerdem gab es dort ein Schild, welches anzeigte welche Walks es am Uluru gibt und wie lange sie in etwa dauern würden. Wir entscheiden uns sehr spontan und mit neu erwachter Energie die ganzen 11 Kilometer um den Berg zu laufen. Wir hatten vorausschauend richtig viele Wasserflaschen eingepackt, zudem unser festes Schuhwerk an den Füßen und ich hatte sogar im Vorfeld in Deutschland lustige Netze gekauft, die man sich über den Kopf ziehen konnte und die einen vor Fliegen schützen sollten. So stapften wir dann also los – weit und breit keine Menschenseele, mit Caps und Netzen auf dem Kopf und näherten uns dem großen, roten Berg.
Bereits nach 5 Minuten wusste ich, das ich mit meiner ausführlichen Recherche und dem Netz auf meinem Kopf alles richtig gemacht hatte. Es kam uns eine Gruppe Touristen entgegen – übrigens die einzigen bei unserem Basewalk und diese blickten uns ganz komisch an. Wir dachten erst, weil wir ziemlich bescheuert aussahen – doch dann erkannte ich den Ausdruck in ihren Gesichtern – es war der pure Neid. Sie blickten uns an mit einem Blick der sagte: „Was für eine gute Idee, verdammt – warum bin ich nicht darauf gekommen.“ Und Sekunden später wussten wir wieso – die Fliegen kamen! Und zwar in ganzen Schwärmen. Innerhalb kürzester Zeit waren wir überall bedeckt von kleinen, schwarzen, lästigen Biestern, die versuchten irgendwie an Feuchtigkeit zu kommen und zwar in Augen und Ohren, Nase und Mund eines jeglichen verfügbaren Lebewesens. Die Gruppe Touristen verschwand, hektisch mit den Händen wedelnd, in Richtung Toilettenhäuschen. Wir gingen weiter, tief zufrieden wieder etwas richtig gemacht zu haben.
Die angenehme Kühle des Morgens verschwand allmählich und trotzdem war es für Sommerverhältnisse wirklich erträglich. Der frühe Aufbruch hatte sich auf jeden Fall gelohnt. Wir liefen immer weiter und staunten über die vielen Höhlen und Kerben im Berg, der von weitem so glatt und eben ausgesehen hatte. Wir kamen vorbei an Malereien der Ureinwohner und an vielen heiligen Stätten, die durch Schilder gekennzeichnet waren. Der kleine Pfad führte zum Teil direkt an den Berg mal in etwas Entfernung an ihm vorbei. Unterwegs gab es eine Wasserstelle, an der wir kurz rasteten und unsere Wasserflaschen auffüllten. Die Landschaft war absolut beeindruckend, das Grün der Pflanzen, hier und da abgebrannte oder tote Bäume und über uns ein jetzt strahlend blauer Himmel. Wir hielten fleißig Ausschau nach Schlangen, Dornteufeln, Dingos irgendetwas, was lebte und nicht aussah wie ein Fliege. Wir wurden hier und da begleitet von kleinen bunten Sittichen, hörten auch mal leises Geraschel, aber es wollten sich keine nicht fliegenden Tiere zeigen.
Bis plötzlich eine riesige Ameise den Weg überquerte. Sie war natürlich nicht wirklich riesig aber eben doch im Vergleich zu herkömmlichen Ameisen und vor allem war sie so unerwartet groß, dass wir beide aprubt stehen blieben und uns verwundert anblinzelten. Dann gingen wir in die Hocke und bestaunten sie näher und dann war sie auch schon unter einen Busch gewandert. Wie sich später rausstellte handelte es sich um eine besonders große Bull Ameise (was für ein vortrefflicher Name!) und damit auch eines der giftigsten Tiere, das wir auf unserer Australienrundreise zu sehen bekamen. Im Schnitt stirbt alle 4 Jahre in Australien jemand durch diese äußert aggressiven Ameisen – gut, das wir das zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens nicht wussten!
Nachdem wir weiter gegangen waren kamen wir irgendwann in einen fast meditativen Zustand. Die Beine liefen von selbst, was gut war, denn irgendwann waren wir so kaputt, dass wir sofort angehalten hätten, hätten wir noch Gewalt über unsere Beine gehabt. Das stetige Surren der Fliegen im Ohr, die uns in einer kleinen Nebelwolke umgaben und als blinde Passagiere überall auf uns mitreisten. Der rote Berg neben uns, der knirschende rote Sand unter den Füßen gingen wir einfach so vor uns hin. Und staunten immer wieder über die Schönheit des Ulurus. Er zeigte sich inzwischen in tiefstem Rot und gab so viele Facetten von sich preis. Zum Beispiel die vielen Spuren, die der Regen hinterlassen hatte, Zeichnungen und Gravierungen, kleine Höhlen und ganz und gar ebene Flächen. Es war ein toller Weg und er war natürlich besonders toll, weil wir einfach ganz allein hier waren – zumindest sahen wir niemanden. Und sie liefen wir immer weiter nebeneinander her, genossen die Ruhe, wechselten hier und da mal ein Wort und ließen ansonsten schweigend die Landschaft auf uns wirken.
Irgendwann erschien in weiter Ferne das Toilettenhaus und damit unser Ausgangspunkt. Von hier mussten wir nun noch 2 Kilometer zum Cultural Centre laufen und jetzt merkten wir unsere Beine richtig. Wir waren jetzt ja nicht so wirklich die großen Läufer, wir kamen bestimmt nur selten auf die empfohlenen 10000 Schritte und nun waren wir mal eben 13 Kilometer zu Fuß unterwegs. Die Wärme nahm ebenfalls stetig zu und so waren wir wirklich erleichtert, als wir das Centre erreichten. Wir trauten uns so, wie wir aussahen, schwarz eingehüllt in Fliegen, allerdings nicht direkt hinein. Und so hüpften wir etwas bescheuert auf und ab und eine dichte Fliegenwolke erhob sich und segelte Richtung Uluru davon. Die Mitarbeiter des Cultural Centres, die uns dabei beobachtet hatten, ließen sich netterweise nicht anmerken ob sie uns nun für komplett bescheuert hielten.
Das Cultural Centre bietet einen kleinen Einblick in das Leben der Anangu und darüber hinaus Erfrischungen, ein kleines Restaurant sowie einen Souveniershop. Hier kann man einige Stunden verbringen, es soll zudem ein Ort der Begegnungen sein. Leider blieb uns wegen des zeitlich festgelegten Shuttles nicht so viel Zeit, dieser traf bereits nach einer kurzen Erfrischung ein und so mussten wir diesen besonderen Ort viel zu früh verlassen.
Mit einer großen Fülle kostbarerer Erinnerungen holperten wir mit dem Bus zurück zum Resort, wo wir auf meine Mutter trafen und uns bei einem Kaltgetränk über unsere Erlebnisse austauschten. Sie hatte den Vormittag bei einer Reptilienshow verbracht, die im Resort angeboten wurde und so zwar nicht wildlebende, aber einheimische Tiere aus der Nähe betrachtet. Den Rest des Tages verbrachten wir im Schatten der wenigen Bäume, genossen den Blick auf das weite, rote Land und den magischen Berg in der Ferne. Da zum frühen Abend ein passables Unwetter aufzog, schenkten wir uns die „Sunset Tour“ und schauten dem Regen und Sturm bei Burgern und Bier zu.
An diesem Abend schliefen wir alle tief und fest in der himmlischen Ruhe des Outback und träumten von rotem Sand.
Ich war dabei ,ein Jahr ist vergangen
Die Intensität des Berichtes hat mich zurück zum Uluru geführt .
Wunderbar ,macht die Reise nach .
Dieses Erlebnis werdet ihr nie mehr
vergessen.
Oh ja, ein wirkliches magisches Erlebnis und das war nur ein kleiner Teil einer riesigen Reise.
wirklich sehr schöne Bilder. Hast Alles richtig gemacht, Dennis.
Schöne Grüße auch an Deine Freundin (unbekanntweise).